Leseprobe
Der Nachtdienst in dem die Geister erschienen

Gleich nach der Dienstübergabe der Spätdienstschwester schwatzten wir noch kurz über private Belange. Dann verließ Schwester Anna das Alters- und Pflegeheim. Eigentlich fielen mir fast die Augen vor Müdigkeit zu, denn durch einen unverhofften Besuch am heutigen Sonntagvormittag bekam ich nur die Möglichkeit, höchstens zwei Stunden zu schlafen. Aber jetzt musste ich leider um 21.30 Uhr meinen Nachdienst antreten. Beim erledigen meines Kontrollganges suchte ich alle Patientenzimmer auf. Ich trat an jedes Bett und fragte, ob sie noch einen Wunsch auf dem Herzen hätten. Manchmal suchten unsere Heiminsassen ein kleines Gespräch, oder es lag noch ein winziges Anliegen vor. Aber sehr oft waren meine Patienten schon eingeschlafen. Also schloss ich ganz leise hinter mir die Tür zu. So kontrollierte ich jedes Zimmer von der zweiten Etage bis zum Erdgeschoss. Die Spätdienstschwester teilte mir mit, dass sie schon eine Waschmaschine voll mit Patientenwäsche im Waschraum angestellt hatte. Ungefähr zwei Stunden dauerte dieser Reinigungsvorgang. Kurz bevor die Mitternachtsglocke auf dem Kirchturm diesen Tag beendete, verlies ich das Gebäude. Mein Weg führte mich um das gesamte Herrenhaus herum, bis ich die Waschhaustür erreichte. Am Tag stellte es kein Problem dar, aber in der Mitternachtsstunde? Wer sich noch nicht gegruselt hat und überall Gespenster, oder plötzlich eigenartige Phantombilder vor sich sah, musste einmal in dieser furchteinflößenden Nachtzeit den gespenstischen Weg, ganz alleine begehen. Der Waschraum befand sich neben dem Heizungsraum, den wir nur von außen erreichten. Nachdem ich die Haustür des Herrenhauses geöffnet hatte, schaute ich mich erst einmal in jede Richtung suchend um, ob ich irgendeinen Menschen erspähte, von dem ich nichts Gutes erwarten könnte. Doch ich war, so schien es mir, hoffnungsvoll allein. Doch die Pflicht rief. Auf meinen großen Wäschekorb, der schon wieder mit verschmutzter Wäsche gefüllt war, legte ich mittig meinen großen Haustürschlüssel. Mit der Hüfte drückte ich den Korb fest an die Wand und mit der freien Hand schloss ich hinter mir das Pflegeheimgebäude zu. Langsam lief ich den Weg entlang, den vor kurzem der Hausmeister mit groben Kieselsteinen aufgeschüttet und geebnet hatte. Unter jedem Schritt und Tritt knirschten unüberhörbar die Steine. Manchmal blieb ich stehen, denn ich dachte etwas Abnormales zu vernehmen. Aber es war immer nur Schein und Trug. Schon als ich von zu Hause zur Arbeit gefahren bin, braute sich am Horizont ein Gewitter zusammen, das sich jetzt über mir befand. Dicke Regenwolken machten die Nacht noch dunkler, als sie schon war. Ein heftiger Wind blies ums Haus und ich musste die Wäsche ganz fest halten, denn sonst wäre nichts mehr im Korb gewesen. Der Mond schien nur wenige Sekunden sehr blass zwischen den Wolken hervor. Meine Schwesternhaube flog plötzlich von meinem Kopf und war einfach verschwunden. Wohin sie geweht wurde, konnte ich in diesem Moment nicht sehen, doch es schien mir wichtiger, schnellst möglich in den unweit gelegenen Waschraum zu gelangen. Immer heftiger kam mir der Wind entgegen, der jetzt von dicken Regentropfen begleitet wurde. Äußerst furchterregend empfand ich diese Nacht. Die morschen Äste der alten Bäume knirschten und knallten. Es fielen viele kleine und morsche Äste von den Bäumen herunter und flogen unkontrolliert umher. Die schon herbstlich angehauchten Blätter fielen durch den fast orkanartigen Sturm geräuschvoll zu Boden.Überall raschelte und knisterte es. Nur wenige Meter neben meinem Weg plätscherte der Bach. Dort tummelten sich unzählige Biber. Durch mein geräuschvolles Laufen, sprangen die großen Tiere in das rauschende Wasser. Ein lautes platsch, platsch, platsch war zu hören. Kleine und große Wellen schwappten über das Bachufer. Die wilden Katzen, die hier überall herumsprangen, gaben auch noch sehr seltsame Töne von sich. Von überall konnte man das Fauchen, Kreischen und Jaulen hören. Dann jagten sie sich wieder durch den dunklen gespenstischen großen Park. Schon seit vielen Tagen gab es sehr viele Regenfälle. So stieg der Wasserstand des Baches bis zum Rand an. Jedes Mal, wenn heftige Regenfälle den Bach bis zum überlaufen gefüllt hatte, hörten wir um die Mitternachtszeit in unmittelbarer Nähe seltsame Geräusche. Denn unweit dieses Baches befand sich eine uralte Gruft. Plätscherte der Bach vor sich hin, blieb alles ruhig. Stieg aber der Wasserpegel, konnte man beim nächtlichen Waschgang das Klappern der Särge aus der Unterwelt hören. Aber heute Nacht hörte es sich so schrecklich an, dass man denken konnte, die Verstorbenen in der Gruft hackten Holz. Es klopfte und knackte, es war voll zum gruseln. Die jungen Kätzchen übten ihr Nachtgeschrei, und wenn mich jetzt von irgendeiner Seite ein Mensch angesprochen hätte, wäre ich vor Schreck umgefallen. Aber ich schaffte es, die Waschhaustür zum Waschhaus hinter mir zuzuschließen. Ich begann meine Waschfrauenarbeit. Ein großer Haufen Bettwäsche und Patientenwäsche lag für mich zum waschen bereit. Ich sortierte alles, dann tauschte ich die gewaschene mit der dreckigen Wäsche aus, und schleuderte sie. Steckte sie in den Eimer um sie aufzuhängen. Als ich aus dem Waschhaus trat, war das Unwetter wie weggeblasen, und so hängte ich die Wäsche gleich neben dem Bach, auf die dort angebrachten Wäscheleinen. Der Aufhänge Platz lag zwischen zwei großen Lindenbäumen. Manchmal kamen noch ein paar Regentropfen von den Ästen herunter, aber das ignorierte ich. Der kalt wehende Wind blies kräftig in die Wäsche. Ich hatte mir schon eine dicke Strickjacke angezogen, aber es war mir so, als ob es, eisig kalt wäre, so sehr fröstelte mich. Die Nachtaktiven Biber sprangen munter ganz nah an mir vorbei. Es fehlte nur noch, dass sie mich mit einem Baumstamm verwechselten und keilförmig abnagten. Gewundert hätte es mich zu dieser Stunde nicht. Noch zwei Mal musste ich den Waschraum aufsuchen, aber dann war mein großer Berg Wäsche gewaschen. Noch gespenstischer konnte die Nacht nicht mehr werden. Jede Minute steckte dieses Gefühl in mir, aus irgendeiner Ecke beobachtet zu werden. Ich war absolut keine Angsthäsin, aber durch die ungewohnten Geräusche, die mich von allen Seiten begleiteten, war ich immer froh, wenn ich die Haustür von inner verschließen konnte. Bei jedem Nachtdienst, wenn ich um dieses Haus laufen musste, blieb mir manche Sekunde das Herz stehen und das Atmen fiel mir schwer. Doch auch daran konnte man sich gewöhnen, denn wenn nichts passierte in der Nacht zu hören war, war es uns auch nicht recht.

Die Chefin als Schriftstellerin

Buch 3
"Und das Leben geht weiter"